Globaler Handel hat unser Leben in Deutschland weitestgehend bequem und luxuriös gemacht. Wir können jederzeit Kaffee aus Brasilien, Avocados aus Mexiko, Kakao aus Ghana und Tee aus Sri Lanka kaufen. Dass die Farmer ihre Ernte nicht nur auf dem heimischen Markt vertreiben, sondern international handeln können, ermöglicht ihnen wiederum einen größeren Absatz und somit mehr Profit und Sicherheit – zumindest in der Theorie.
Eine 100g-Tafel konventionelle Schokolade kostet circa 0,70€ – je nach Sorte und Händler kann das natürlich mehr oder weniger sein.
Davon gehen also 0,31€ an den Supermarkt (der davon 0,05€ an Mehrwertsteuer bezahlt, weil Schokolade nicht als Luxusgut, sondern als Ware des täglichen Bedarfs angesehen wird).
Die Schokoladenfirma (das sind die, deren Namen auf der Verpackung stehen) erhält etwa 0,25€, die Kakaoverarbeiter nur noch 0,05€.
Für den Handel und Transport der Bohnen zum Verarbeiter fallen noch mal 0,015€ an, sowie 0,03€ für die Behörden im Anbauland.
Übrig bleiben 0,045€ für die Farmer. 4,5 Cent je Tafel Schokolade, von denen sie ihren Betrieb führen und ihre Familien ernähren sollen.
Wenn der Weltmarktpreis für Kakao fällt, freuen sich vielleicht die Schokoladenhersteller, weil sie mehr Ware für weniger Geld erhalten, aber der Preis, den wir im Supermarkt zahlen, ändert sich kaum. Für die Farmer heißt das hingegen, dass sie noch weniger Geld zum Leben haben. Die Folgen: Armut und Kinderarbeit. Falls die Kinder in der glücklichen Lage sind, in die Schule gehen zu dürfen – was längst nicht immer der Fall ist – entscheiden sich viele, ihr Glück in der Stadt zu versuchen, anstatt die Farmen zu übernehmen.
Hier setzt der Faire Handel an: Fair-Handels-Organisationen zahlen den Farmern garantierte Mindestpreise selbst dann, wenn der Weltmarktpreis sinkt. Zusätzlich erhalten die Betriebe oder Kooperativen Prämien zur Weiterentwicklung der Unternehmen, zum Beispiel zur Umstellung auf Öko-Landbau, zur Verbesserung der Energie- und Wassernutzung, oder zur Umsetzung von Hygiene-Maßnahmen.
Manche Organisationen zahlen für hochwertige Waren auch Qualitätszuschläge oder übernehmen die teilweise hohen Kosten für die Zertifizierung. Dafür verpflichten sich die Unternehmen, keine Kinder als Arbeitskräfte einzusetzen, den ArbeiterInnen ihr Recht auf Versammlung und Gewerkschaftsgründung einzugestehen, mindestens regionale übliche Löhne oder gesetzliche Mindestlöhne zu zahlen, sowie in der Produktion auf bestimmte Chemikalien zu verzichten, die die Gesundheit der Beschäftigten (und der EndkundInnen) gefährden könnte.
Partnerschaften auf Augenhöhe und langfristige Handelsbeziehungen mit den produzierenden Betrieben und Zulieferern sind also das erklärte Ziel.
„Fair“ ist leider ein dehnbarer Begriff und fairer Handel ist nicht automatisch „genug“. Was fairer Handel erreichen kann, ist die wirtschaftliche Stärkung teilnehmender Betriebe und somit ein Abmildern von Armut und Ausbeutung.
Gerade, wenn die internationalen Märkte gesättigt sind und Rohwaren aus verschiedenen Anbauländern im Überfluss vorhanden sind, verfallen die Preise auch im fairen Handel. Die Handels-Organisationen garantieren zwar Mindestpreise pro Kilo, aber nur manche vereinbaren im Vorjahr feste Abnahmemengen. Auch wenn die Ernte schlecht ausfällt, hilft ein Mindestpreis pro Kilo nur dann, wenn genügend Erntemenge zusammenkommt, um die Betriebskosten zu decken.
Fair und solidarisch wären hier garantierte Abnahmemengen zu vorher festgelegten Preisen, sodass selbst bei schlechter Ernte der Betrieb finanziert ist. Viele kleinere Kaffeeröstereien in Europa arbeiten beispielsweise so mit ihren Partnern in den Anbauländern zusammen.
Viel hilfreicher im Sinne einer Partnerschaft auf Augenhöhe wäre allerdings auch, die Anbauländer dabei zu unterstützen, mehr Wertschöpfung in der Lieferkette vor Ort zu behalten. Das leisten jedoch noch nicht alle Organisationen.
Im Beispiel oben haben wir gesehen, dass 80-87% der Einnahmen in der Weiterverarbeitung und im Handel bleiben. Diese Betriebe stehen allerdings meistens nicht in den Anbauländern. Das bedeutet, dass die Zwischenhändler günstige Rohstoffe verkaufen müssen, während die weiterverarbeitenden Betriebe ihre Produkte teurer an den Handel weiterverkaufen können. Also bleibt wenig Geld im Anbauland und viel dort, wo weiterverarbeitet wird.
2016 hat ein Unternehmen es gewagt, einen anderen Weg zu beschreiten. fairafric stellt Schokolade in Ghana her – von der Bohne bis zur verpackten Tafel. Die Geschichte dahinter liest du hier.
„Fair“ ist kein gesetzlich geschützter Begriff. Jeder könnte seine Produkte als fair bezeichnen, obwohl vielleicht nur ein Bruchteil der Zutaten wirklich fair gehandelt wurde. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat ein paar Tricks aufgedeckt, mit denen manche Firmen ihre Produkte fairer scheinen lassen, als sie sind.
Wir zeigen dir hier ein paar Möglichkeiten, woran du fairen Handel erkennen kannst und worauf du jeweils achten musst:
Auf Nachfrage legt ein vertrauenswürdiges Unternehmen seine Lieferkette offen und kann erklären, welche Waren wo zu welchen Bedingungen angebaut und eingekauft wurden – und welche Anstrengungen es über den Einkauf hinaus noch unternimmt, um seine Lieferanten zu unterstützen.
Auch eine vernünftige Kennzeichnung der Waren und Inhaltsstoffe gehört selbstverständlich dazu. Achte darauf, welche Zutaten in einem Produkt aus fairem Handel kommen – und welche vielleicht nicht. Beim sogenannten Mengenausgleich können Produkte als fair gekennzeichnet werden, wenn ein bestimmter Prozentsatz der Inhaltsstoffe fair gehandelt wurde. Das muss dann aber auch entsprechend gekennzeichnet werden. Falls der Hersteller das nicht macht: Finger weg!
Für eine vertrauenswürdige und transparente Darstellung des Herstellungsprozesses braucht es zunächst kein Siegel oder Zertifikat – du musst dem Unternehmen allerdings auch vertrauen können.
Echter fairer Handel bedeutet, dass die Partner zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Dazu gehört, dass die finanziell stärkeren Partner dabei helfen, die Infrastruktur entlang der Lieferkette zu verbessern, zum Beispiel durch den Ausbau von Straßen, Wieder-Aufbereitungs-Anlagen oder Fabriken, die mehr Verarbeitungsschritte im Anbauland ermöglichen.
Reine Spendenprojekte dienen hingegen vor allem der Selbstdarstellung des Spendenden und sind daher kritisch zu hinterfragen. Sei deshalb kritisch und setz dich mit deinen Lieferanten auseinander – aber das tust du ja sowieso, richtig?
Trier wirkt weltweit. Mit jeder Tasse Stadtkaffee, die du trinkst, unterstützt du den Aufbau der Finca Yuri in Kolumbien – und Kleinprojekte von und für Trier. Mehr Infos zu unserer Partnerschaft mit Yuri, Juan, Mondo del Caffè und dem Weltladen findest du auf VonFürTrier.
Auch Naturland und Rapunzel bieten eine Fair-Zertifizierung für ihre Mitglieder an.
Diese Organisationen haben sich, um ihre Standards gemeinsam weiterzuentwickeln und die Probleme des fairen Handels gemeinsam zu lösen, zum Forum Fairer Handel zusammengeschlossen. Einen groben Überblick über ihre Strategien und Zertifizierungs- und Monitoring-Standards findest du hier.
Bei den Labels Fairglobe und One World handelt es sich hingegen um Eigenmarken großer deutscher Discounter, die nach den Standards von Fairtrade International zertifiziert sind. Andere Betriebe können auch ihr eigenes Fair-Siegel nutzen.
Um zu überprüfen, ob das vertrauenswürdig oder nur ein Versuch des greenwashings ist, solltest du dir anschauen, was dahintersteckt.
Das Siegellabyrinth ist dabei leider nicht nur für dich sehr unübersichtlich, auch die ProduzentInnen stellt es vor teilweise hohe Hürden. Die Zertifizierungen sind umfangreich und teuer. Um die Einhaltung der Standards zu kontrollieren, braucht es ein umfangreiches Monitoring und regelmäßige Audits durch die Fair-Handels-Organisationen. Die Kosten dafür kommen dann nicht mehr direkt den Farmern zugute, sondern werden benötigt, um das Kontrollsystem zu finanzieren.
Allein im deutschen Handel gibt es mindestens zwölf verschiedene Siegel, die alle unterschiedliche Standards und Herangehensweisen haben. Die Verbraucherzentrale NRW bietet dir hier einen kompakten Überblick.
Außerdem erfährst du in unserem Beitrag zu Siegel & Labels mehr zum Thema.
Mach fairen Handel für dich zum Standard. Das Sortiment ist groß und die Anbieter zahlreich.
Du kannst dich an Siegeln orientieren und mit Betrieben zusammenarbeiten, die auch ohne Siegel glaubhaft international partnerschaftlich handeln.
Du kannst deinen Gästen die Geschichte deines fair gehandelten Produkts erzählen. Deine Gäste mögen hochwertige Produkte, die auch ohne Ausbeutung den Weg zu ihnen finden. Wenn sie die Geschichte und das Gesicht dahinter kennen, sind sie auch bereit, den wahren Preis für das Produkt zu bezahlen. Internationale Produkte sind eben ein Luxusgut.
Und wenn du ein Produkt nicht regional und nicht fair gehandelt bekommst, frag dich ruhig, ob es wirklich nötig ist.
Niemand muss heutzutage auf Produkte aus ausbeuterischer Arbeit zurückgreifen.