Stellt euch vor, ihr wollt euer altes Fahrrad per Kleinanzeige verkaufen – doch statt direkt an den zahlungswilligen Kunden gebt ihr es erst an einen Zwischenhändler, der es dann an einen Begutachter gibt, welcher wiederum an den nächsten Zwischenhändler verkauft und so weiter, und so weiter. Diese irrsinnig komplizierte Vorstellung bringt uns zu einer wichtigen Kategorie unseres Nachhaltigkeitsrasters: dem Direktvertrieb.

Was versteht man unter Direktvertrieb?

Direktvertrieb ist grundlegend erst einmal nichts anderes als das Gegenteil von Handelsvertrieb – die Produzenten bringen ihre Produkte unmittelbar selbst an private oder gewerbliche Kunden, statt eine Lieferkette zu nutzen. Diese besteht meist aus mehreren Stufen, die jeweils einzelne Aufgaben des Absatzes von Produkten übernehmen. Dazu gehören vor allem wichtige Schritte wie Weiterverarbeitung, Distribution (Verteilung), Marketing und Lagerung. Gerade Lebensmittelproduzenten sind auf ein gutes und verlässliches Netzwerk zum Verkauf ihrer Waren angewiesen.

Mit dieser Auffächerung des Vertriebs gehen jedoch auch einige Probleme einher, sowohl für den Erzeuger selbst, als auch für Umwelt und Klima. Transportwege werden länger und damit CO2-intensiverLagerung und Haltbarmachung können der Frische des Produkts abträglich sein, der direkte Kontakt von Erzeuger und Konsument wird unterbrochen – und nicht zuletzt kommt unter dem Strich oft deutlich weniger in der Kasse des Produzenten an als eigentlich nötig. Was also, wenn sich herstellende Betriebe dazu entschließen, ihre Waren ohne Mittelsmänner direkt an den Mann oder die Frau zu bringen?

Viele Ansätze, ein großes Ziel

Die Möglichkeiten und Ansätze zum Direktvertrieb von Lebensmitteln sind vielfältig und flexibel. Bekanntestes und zugleich am besten etabliertes System sind Hofläden. Hier verkaufen die Erzeuger ihre Produkte unmittelbar „ab Hof“, sprich vom eigenen Betrieb aus – kompetente Beratung und transparenter Einblick in die Produktion inklusive. Egal ob in klassischer, uriger Atmosphäre oder mit neuen, moderneren Ansätzen wie Milchtankstellen oder Eier-Automaten – vor Ort beim herstellenden Betrieb zu kaufen lohnt sich auf mehrere Arten: Da die Preise durch fehlende Aufschläge durch Dritte oder etwa Transport- und Verpackungskosten meist merkbar niedriger als im Einzelhandel sind, spielen finanzielle Vorteile eine Rolle. Aber auch strukturell zeigen sich positive Aspekte. Denn, wer als Veranstalter auf Produkte aus Direktvertrieb setzt, bekommt garantiert frische Produkte in frei wählbaren Stückmengen, in der Regel ohne Mindestabnahme oder ähnliche Einschränkungen.

Regional und international direkt

Doch nicht nur Erzeuger vor Ort, sprich Landwirte und Tierwirtschaft, profitieren von Direktvertrieb. Denn: Wirklich kompliziert werden Lieferketten vor allem dann, wenn sie in unserer globalisierten Welt Länder und Erdteile überbrücken. Kaffee, Kakao oder auch Soja sind hier gute, da in unserem Alltag präsente Beispiele. Alle drei werden in für den Welthandel relevanten Mengen fast ausschließlich in Staaten des Globalen Südens angebaut, geerntet und zur Weiterverarbeitung vorbereitet. Im Falle des Kaffees etwa beginnt hier im konventionellen Handel eine lange und komplexe Lieferkette.

Verkürzt gesagt finden Anpflanzung, Ernte, Sortieren und Trocknen unmittelbar vor Ort, etwa in Ländern wie Kolumbien oder Uganda statt; Trägergruppe sind hier die Menschen vor Ort, die unter oft extrem harten Begebenheiten dafür arbeiten, eine gewisse Menge Kaffeebohnen an einen Zwischenhändler vor Ort zu liefern. Bezahlt wird nach erbrachter Warenmenge, gegengerechnet mit dem aktuellen Kaffee-Preis. Eine finanzielle oder arbeitschutzrechtliche Absicherung vor Ort gibt es meist nicht. Es folgen weitere Zwischenhändler, Lagerungsfirmen, Logistiker, Distributoren – ein langer und oft intransparenter Weg. Der profitabelste Schritt der Kaffee-Produktion, die Röstung und Veredelung, findet dann fast immer in Ländern wie Deutschland oder Großbritannien statt – und damit landet hier auch der größte Teil des Ertrags in der Produktionskette.

Initiativen, die auf Direktvertrieb seitens der Menschen am Anfang dieser Lieferketten setzen und darauf abzielen, diesen den verdienten und sicheren Ertrag ihrer Arbeit zu bieten, sind mittlerweile weltweit aktiv. In der Region arbeiten etwa Unternehmen wie Mondo del Caffè genau für dieses Ziel: Lieferketten direkter und transparenter gestalten, um soziale Nachhaltigkeit vor Ort Stück für Stück durchzusetzen.

Dynamisch und verlässlich

Doch leiten wir unseren Blick wieder in die Region. Direktvertrieb geht nämlich auch ganz anders, gerade um Trier gibt es viele Beispiele für erfolgreich umgesetzte Initiativen. Einen Überblick über Direktvermarktungsformen wie die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) oder Erzeugergemeinschaften haben wir für euch in unserem Beitrag über Solidarisches und Alternatives Wirtschaften zusammengestellt. Ihnen allen, seien es relativ junge Konzepte die auf Digitalisierung und hohe Dynamik setzen, oder althergebrachte Modelle wie Hofladen und Straußwirtschaft, ist eines gemein: Sie stellen die Unmittelbarkeit zwischen Produktion und Konsum, zwischen Erzeuger, Veranstalter und Kunde wieder in den Vordergrund. Damit sind sie ein aktiver Beitrag zur Stärkung kleiner und mittelständischer Betriebe in der Region und zur Nachhaltigkeitsarbeit vor unserer Haustür. Wer also beim nächsten Event nachhaltig, regional und zugleich wirtschaftlich einkaufen möchte, für den gilt: Kauf direkt, denn es schmeckt!

Schon gewusst?

Die Lokale Agenda 21...

...hat in den vergangenen Jahren immer wieder Veranstaltungen zu Themen wie Direktvertrieb und Ernährungswende in der Region gehostet.

  • 2017 haben wir mit dem Netzwerk Solidarische Landwirtschaft die Solawi von Transition Trier supportet
  • 2018 haben wir mit dem Bauern- und Winzerverband die Solawi Lindenhof und die Solawi Rhein-Ahr eingeladen
  • 2019 haben wir auf der Zukunftskonferenz unser regionales Ernährungssystem weiterentwickelt.
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