Barrieren begegnen uns überall. Inklusion und Barrierefreiheit sind daher Themen die in allen gesellschaftlichen Bereichen mitgedacht werden müssen. Für das Stadtmuseum Simeonstift Trier ist das nichts Neues. Möglichst viele Besucher:innengruppen sollen einbezogen und barrierefreie Angebote immer weiterentwickelt werden. Informationen zum Museum und den Ausstellungen stehen beispielsweise in Leichter Sprache zur Verfügung, es besteht die Möglichkeit Gebärdensprachdolmetscher:innen zu buchen und Audioguides sind mittlerweile sowieso Standard.

Die aktuelle Ausstellung "Tell me more. Bilder erzählen Geschichten" zeichnet sich ganz besonders durch ein inklusives Konzept aus. Die Ausstellung nimmt anhand von 100 Gemälden aus der eigenen Sammlung des Stadtmuseum von der Antike bis heute Bildergeschichten unter die Lupe und lädt zum genauen Hinschauen ein. Unterschiedliche Gattungen und Epochen werden vorgestellt, wobei der Fokus darauf liegt, die Geschichten hinter den Werken zu erahnen, versteckte Botschaften zu entdecken und unter die Oberfläche zu schauen. In jeder Ausstellungsstation befinden sich Tische mit inhaltlichen Informationen zu den Bildern und thematisch passenden Mitmach-Aktionen.

Der inklusive Charakter der Ausstellung zeigt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Neben den Angeboten, die auch in anderen Ausstellungen des Stadtmuseum aufzufinden sind, wie Audioguides (in Leichter Sprache), Texte in Leichter Sprache, Gebärdendolmetschung und FM-Führungsanlagen, werden hier wichtige Ausstellungsstücke nicht nur in Leichte Sprache, sondern auch in Braille-Schrift übersetzt. Die Ausstellung bietet außerdem Tastführungen für Menschen mit Sehbehinderung und blinde Menschen an. Schwellkopien und Hands-On Stationen laden zum haptischen Erfahren der Ausstellung ein. Hands-On Stationen sind nicht nur für Menschen mit Sehbehinderung interessant, auch Menschen ohne Behinderung, vor allem Kinder erfreuen sich häufig an solchen Angeboten und machen die Ausstellungserfahrung somit für alle Altersgruppen und verschiedene Zielgruppen interessant. Auch der Audioguide wurde mit ausführlichen Bildbeschreibungen für Blinde und Sehbehinderte optimiert. Für gehörlose Menschen steht ein Videoguide-System in der Ausstellung bereit.

Schwellkopien sind eine Art Handreichung für Menschen mit Sehbehinderung oder blinde Menschen. Das spezielle Papier der Schwellkopien, da die Oberflächenbeschichtung Partikel enthält, die sich unter Wärmeinwirkung ausdehnen. Mithilfe eines Spezialkopierers können Hell-Dunkel-Kontraste von Gemälden in tastbare Texturen verwandelt werden.

Begleitet wird die Ausstellungen durch unterschiedliche Veranstaltungen für alle Altersgruppen. Unterschiedliche Formate sprechen mal Familien mit Babys, Kinder, Teenager:innen oder Senior:innen an. Auch Führungen in Leichter Sprache oder Führungen im Sitzen schaffen Zugänglichkeit.

Das Stadtmuseum lädt Besucher:innen dazu ein Rückmeldung zu dem Konzept zu geben. Gruppen aus den Bereichen Inklusion und Integration können sich gerne als Ausstellungstester:innen anmelden. Dazu können Sie einfach eine E-Mail an museumspaedagogik@trier.de schicken.

Wir freuen uns darüber, dass das Stadtmuseum Simeonstift das Thema Inklusion so Ernst nimmt, damit alle Menschen Kunst erfahren können und sind gespannt auf die Ausstellung!

Hier ein erster Eindruck für euch:

Durch das Host Town Programm der Special Olympics World Games Berlin 2023 haben viele Kommunen das Thema Inklusion dauerhaft auf dem Schirm

Wie nachhaltig werden die Special Olympics World Games 2023? Wenn am Montag die mehr als 6.500 Athlet*innen Berlin wieder verlassen, wird das Thema Inklusion in vielen deutschen Städten auf der Tagesordnung bleiben. Das haben sich zumindest die Städte auf die Fahnen geschrieben, die am Host Town Programm teilgenommen haben. Sie planen bereits die nächsten Projekte.

Mehr als 200 Kommunen hatten die verschiedenen Delegationen aus der ganzen Welt im Vorfeld der Weltspiele zu Gast. Von Rosenheim bis Schleswig, von Dresden bis Saarbrücken. „Die Begeisterung war riesig“, sagt Franziska Eberenz, Senior Managerin im Organisationskomitee und verantwortlich für das Host Town Programm. Nun gehe es darum, dass dieses Feuer nicht erlischt. Die Initialzündung durch das größte kommunale Inklusionsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik soll ein neues Miteinander stiften und den Raum für Begegnungen weit über die Special Olympics World Games hinaus öffnen.

Zum Beispiel die Stadt Gera. Mit 114 Sportvereinen in mehr als 64 verschiedenen Sportarten gilt die Stadt in Ostthüringen als Sportstadt. Die 58-köpfige Delegation aus Malta, die die Stadt Gera beherbergte, war die größte Delegation aller Host Towns in Thüringen. Zum Dank durfte Sport-Beauftragter Rene Soboll bei der Eröffnungsfeier mit Malta einmarschieren. Lydia Abela, Präsidentin von Special Olympics Malta, Maltas Sportminister Clifton Grima und Soboll vereinbarten, einen intensiven Kontakt zu halten. 

„Gerade der zukünftige Austausch zwischen Sportfreunden beider Länder, die Möglichkeit für Trainingslager in modernen Sportstätten und Sportanlagen in Gera und das Thema Inklusion und Barrierefreiheit waren der Grund für die Bewerbung Geras als eine der deutschen Städte“, so Soboll. Erste Kontakte mit Vereinen der Stadt sind geknüpft, gemeinsame Trainingseinheiten gab es schon beim Aufenthalt in Gera, unter anderem im Radsport, Schwimmen und Tischtennis. Im September sollen die nächsten Gespräche folgen.

Durch das Host Town Programm seien auf kommunaler Ebene vielerorts Netzwerke entstanden, sagt Eberenz. Einige Städte interessieren sich für die Ausrichtung von Special Olympics Landesspielen. Andere wollen Städtepartnerschaften aufbauen. „Die Projekte sind zum Teil langfristig angelegt“, sagt Eberenz. „Die Kommunen haben neue Motivation bekommen.“ 

„Wenn wir es schaffen, dass die Städte über die Spiele hinaus das Thema Inklusion in den Vordergrund stellen, haben wir mit den Weltspielen viel erreicht“, sagt Olympiasieger Christian Schenk, der Initiator der „all inklusiv Rostock“ ist. Das 2. aiR-Festival findet vom 24. bis 26. August statt und verbindet Sport mit den Sparten Kultur, Familie und Wissen.  

Nora Neuenroth und Alexander Knaub
Credits: Special Olympics World Games Berlin 2023 / Juri Reetz

„Wenn wir es schaffen, dass die Städte über die Spiele hinaus das Thema Inklusion in den Vordergrund stellen, haben wir mit den Weltspielen viel erreicht“, sagt Olympiasieger Christian Schenk, der Initiator der „all inklusiv Rostock“ ist. Das 2. aiR-Festival findet vom 24. bis 26. August statt und verbindet Sport mit den Sparten Kultur, Familie und Wissen.  

Rostock hatte auch am Host Town Programm teilgenommen und 23 Mitglieder der Delegation der Dominikanischen Republik begrüßt. Das Programm war bunt. Dazu gehörten der Besuch einer Näherei der DRK-Werkstätten, eine Besichtigung des Ostseestadions oder ein Training mit dem Rostocker Goalballclub Hansa.

Jede der Kommunen, die am Ende ausgewählt wurden, war aufgefordert, ein inklusives Projekt in die Bewerbung einzuarbeiten. „Dadurch ist gesichert, dass das Thema Inklusion keine Eintagsfliege ist“, sagt Eberenz. „Nicht alle, aber viele Kommunen werden sich in Zukunft mehr für Inklusion einsetzen.“

Text: Michael Schwartz

Titelbild: Célia Šašić bei der Siegerehrung der Rhythmischen Sportgymnastik im Sommergarten
Credits: Special Olympics World Games Berlin 2023 / Juri Reetz

Großer Jubel bei Team USA nach dem Sieg im Kajak-Einzel der Damen

Der zweite Tag bei der Deutschlandpremiere des größten inklusiven Sportevents weltweit begann für unser FairWeg-Team im pittoresken Köpenick. Von hier aus war es quasi nur ein Katzensprung zu Fuß und per Tram an Alter Spree und Dahme entlang bis zum Regattahafen in Grünau, dem Austragungsort der Kajak- und Freiwasserschwimm-Wettbewerbe. Bei den Finals der Herren und Damen im Einzelkajak konnten wir uns ein gutes Bild von Venue und Veranstaltungsorganisation machen; besonders spannend vor allem deswegen, da es sich dabei um eine eigens dafür hergerichtete Spielstätte an einem Gewässer am Rand der Stadt handelt, die also weniger auf das Austragen großer, mehrtätiger Sportevents ausgerichtet ist. Unser Fazit: Gerade die Infrastruktur vor Ort für Athlet:innen, Staffs und Mitarbeitende ist super, für Zuschauer:innen könnte jedoch noch mehr gesorgt werden.

Die beiden großen Knackpunkte, die kein Special Olympics-spezifisches Problemfeld darstellen, sondern viel eher eine allgemeine Herausforderung in unseren aktuellen Zeiten, beziehen sich unmittelbar auf die Auswirkungen des heißen Wetters. In Grünau, genau wie bei den Sportarten rund um das Olympiastadion im Berliner Westen (etwa Leichtathletik und Hockey), waren kaum Schattenplätze ausgewiesen, abgesehen von den in Sachen Sitzplätzen begrenzten und weit vom sportlichen Geschehen entfernten Tribünen. Dürften wir dem Orga-Team also einen Tipp mit auf den Weg geben, wäre es sicher, mehr Schutz vor der Sonne sicherzustellen, auszuschildern und so die Gesundheit aller Anwesenden zu schützen. Bei aller Kritik war aber natürlich für das Wohl der Athlet:innen bestens gesorgt, hier gibt es an allen Venues quer durch die Stadt frei zugängliche Trinkwasserspender und Zelte oder Räumlichkeiten zum Zurückziehen; Ähnliches wäre für Besucher:innen in Zukunft ein absoluter Gewinn.

Die Siegerehrungen, etwa im Sommergarten der Messe Berlin, sind immer ein besonders emotionaler Moment

Abseits dessen hat uns die Atmosphäre der Spiele und die gelebten Werte auch am zweiten Tag vollends begeistert. Großer Jubel und Umarmungen nach Medaillengewinnen, freundschaftliche Dialoge zwischen Vertretenden der verschiedenen Delegationen in der S-Bahn und spontane Tänze in den Wartebereichen - so viel Leichtigkeit im Zeichen von Inklusion und Frieden ist einfach fantastisch. Außerdem haben wir viele gute Ideen gesammelt und dokumentiert, um diese in Zukunft auch für Events in Trier verfügbar zu machen - vom "Quiet Room", also stillen Rückzugsorten direkt neben dem Geschehen, bis hin zur Gebärdendolmetschung am Veranstaltungseingang. Die Spiele inspirieren also nicht nur vor Ort, sondern auch ein paar hundert Kilometer entfernt in unserem lieben Trier.

Unsere Redakteur:innen Svantje, Lea und Adrian haben sich am Donnerstag auf dem Weg in die Bundeshauptstadt gemacht, um echte Olympia-Luft zu schnuppern: Bis Sonntag, dem Tag des feierlichen Abschluss vor dem Brandenburger Tor, sind sie für euch an den verschiedenen Spielstätten und anderen Event-Orten verteilt durch die ganze Stadt unterwegs, um sich diese einzigartige Großveranstaltung aus dem Blickwinkel "Inklusive und nachhaltige Veranstaltungen" anzuschauen. Das erste Fazit: Die World Games sind ein großes, buntes und vor allem internationales Fest, bei dem Werte wie Fairness und Hilfsbereitschaft vorgelebt werden.

Der Weg zur Messe Berlin und ein warmes Willkommen im Berliner Regen

Die Highlights bisher waren sicherlich der Gang durch die Stadt, bei dem einem immer wieder Delegationen aus allen Teilen der Welt begegnen: Aus Tansania, Serbien, Australien, Malta - und auch aus unserem Lieblingsnachbarland Luxemburg, das natürlich vom FairWeg-Team gebührend beim Boccia in der Messe unterstützt wurde. Hier gab es unter anderem auch Judo, Gewichtheben und Turnen zu bestaunen - und Badminton, eine Disziplin, bei der eine ganz besondere Geste der Fairness zu sehen war.

Bei den Finals der Herren im Einzel zog sich ein Athlet aus Taiwan eine Verletzung am Knie zu, weswegen er noch auf dem Court vom Sanitätsteam versorgt werden musste; sein Gegenspieler aus Ägypten und der dazugehörige Staff halfen sofort bei der Versorgung mit und ein Mitglied aus dem ägyptischen Trainerteam trug den verletzten Sportler sogar letztlich vom Platz nachdem dieser versorgt war. Eine starke Geste, die vom sowieso sehr engagierten Publikum ausgiebig gefeiert wurde.

Plätze für Rollstuhlfahrende sind an allen Venues in der Messe vorhanden - die Lösung hier sind Courtside-Plätze, ähnlich wie beim Basketball

Der erste Eindruck zur Barrierefreiheit vor Ort in der Messe Berlin, die einer der Hauptaustragungsorte der Spiele, sowie Medienzentrum und Anlaufstelle für das Angebot Healthy Athlets ist, ist grundlegend gut. Positiv aufgefallen ist, dass es ausreichend (barrierefreie) Toiletten - und sogar teils eigens deklarierte Intersex-Toiletten - gibt. Auch die Beschilderung und die Verfügbarkeit von Aufzügen in dem mehrstöckig bespielten Gebäudekomplex ist durchgehend und gut gestaltet. Probleme wiederum gibt es in den Übergangen zwischen den einzelnen Bereichen, da hier kleinere Schwellenrampen vorhanden sind, welche jedoch bei stärkerem Regen und entsprechender Nässe gerade für Elektrorollstuhl-Fahrende nicht alleine nutzbar und potentiell sogar gefährlich sind; hier wäre ein entsprechender Anti-Rutsch-Belag eine einfache und schnell durchzuführende Lösung. Mehr zum Thema folgt bald natürlich hier auf dem FairWeg-Blog!

In diesem Jahr finden die Special Olympics World Games (SOWG) zum ersten Mal in Deutschland statt. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit Lernbehinderung und Mehrfachbehinderung, die auch offiziell durch das Internationale Olympische Kommitee anerkannt sind. In Berlin werden dieses Jahr 7.000 Athlet:innen in 26 Sportarten gegeneinander antreten.

Wie kam es zu den Special Olympics?

Die Special Olympics finden ihren Ursprung in einem Sommercamp, organisiert von Eunice Shriver, der Schwester von John F. Kennedy auf ihrer Maryland Farm. Eunice' Schwester Rosemary, mit der sie in ihrer Kindheit viel Zeit verbrachte und gemeinsam Sport trieb, hatte eine kognitive Behinderung. Eunice bemerkte daher schon früh, dass Angebote für ihre Schwester eine Seltenheit sind. Anfang der 60er, zu der Zeit engagierte sich Eunice schon für die Rechte von Menschen mit Behinderung, wurde sie dann darauf aufmerksam gemacht, dass Kinder mit Behinderung nicht an den Sommercamps der öffentlichen Schulen teilnehmen können. Sie gründete daher 1961 auf eigene Faust ein Sommercamp für Kinder mit und ohne Behinderung auf ihrer Farm. Für die Betreuung suchte sie sich High School Schüler:innen und College Studierende und ermöglichte so im ersten Jahr über 30 Kindern ein sportliches Tagesprogramm. Die ersten "richtigen" internationalen Special Olympics Spiele fanden dann sieben Jahre später im Jahr 1968 in Chicago statt. Hier traten 1.000 Athlet:innen aus den USA und Kanada gegeneinander an. Seit 1988 sind die Spiele auch vom IOC offiziell anerkannt.

Der Verein Special Olympics Deutschland e.V. wurde 1991 gegründet, gemeinsam von unterschiedlichen Verbänden der Behindertenhilfe wie der Lebenshilfe und Caritas, nachdem erstmal eine deutsche Delegation bei den Special Olympics World Summer Games in Minneapolis teilnahm. Ein Jahr später fand zum ersten mal das natoinale Special Olympics Bundes-Fußballtunier in Deutschland mit 1.200 Teilnhemer:innen statt. Ein Jahr später fanden die World Games dann in Österreich und damit erstmals außerhalb der Staaten statt.

Wie funktioniert die Qualifizierung für die Special Olympics?

Anders als bei den Olympischen Spielen kommt es bei den Special Olympics nicht nur darauf an den oder die Beste:n einer Sportart teilnehmen zu lassen. Es wird in Leistungsstufen eingeteilt und je nach Leistung in den Vorentscheiden, wird in Gruppen zugeteilt. Das ermöglicht Menschen unabhängig vom Grad ihrer Behinderung die Teilnahme an den Spielen. Neben der Teilnahme an den Vorentscheiden, ist auch regelmäßiges Training und die Teilnahme an regionalen und lokalen Spielen eine Voraussetzung, um sich für die Special Olympics World Games zu qualifizieren. Bei den regionalen Anerkennungswettbewerben qualifizieren sich Teilnehmende für die Nationalen Spiele, die immer ein Jahr vor den World Games stattfinden. Bei den Nationalen Spielen kann man sich wiederum für die World Games qualifizieren.

Bei der Klassifizierung in die einzelnen Leistungsgruppen, spielt die Art und der Grad der Behinderung allerdings keine Rolle, es wird ausschließlich nach Leistung, Alter und Geschlecht klassifiziert. Innerhalb der einzelnen Leistungsgruppen darf die Leistung der Sportler:innen nur um 15 Prozent unterscheiden. Damit in den Vorentscheiden nicht mit Absicht eine schlechtere Leistung erbracht wird, um in den Spielen besser abzuschneiden, gibt es die Regelung, dass die Leistung im Finale nur maximal 15 Prozent besser als bei der Klassifizierung sein darf. Ist das doch der Fall, wird der:die Sportler:in disqualifiziert. Schneidet der:die Sportler:in bei der Klassifizierung wiederum aus anderen Gründen wesentlich schlechter ab, gibt es die Möglichkeit einen Antrag auf Leistungsverbesserung zu stellen. In dem Fall wird die durchschnittliche Leistung im Training als Referenz für die Klassifizierung genommen.

Was ist Unified Sports?

Unified Sports möchte Menschen mit und ohne Behinderung verbinden. Im Zeichen von Inklusion treten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam als Team bei der jeweiligen Sportart an. Ziel der Initiative ist es Berührungsängste abzubauen und gelebte Inklusion zu zeigen. Dabei gibt es verschiedene Ansätze, die unterschiedlich leistungsorientiert sind. Es gibt sowohl freizeitorientierte Teams, als auch wettbewerbsorientierte Teams. In Berlin dieses Jahr können wettbewerbsorientierte Teams in 16 Disziplinen teilnehmen. Dabei ist erwähnenswert, dass eine Vehinderung von Spieler:innendominanz essentiell in dem Konzept ist. Teams sollen nicht von Menschen ohne Behinderung dominiert werden, es sollen alle Sportler:innen gleichberechtigt in das Team integriert sein und eine wichtige Rolle innerhalb des Teams einnehmen.

Wie barrierefrei sind die Special Olympics World Games 2023 in Berlin für Besucher:innen?

Bei den SOWG handelt es sich um ein gigantisches Event, welches viele Besucher:innen anlockt. Daher stellt sich natürlich auch die Frage inwiefern die Organisator:innen barrierearme Veranstaltungen gewährleisten und umsetzen. Der Webseite der SOWG Berlin 2023 zufolge gibt es folgende Angebote:

Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit können die Spiele auf der Tribüne mithilfe eines barrierefreien Audiostreams verfolgen. Die Assistenzsysteme gibt es allerdings nicht auf allen Veranstaltungen, aber zumindest bei der Eröffnungsfeier, der Abschlussfeier und bei acht Sportveranstaltungen. Auditiv verfolgen kann man die Spiele außerdem über die App Mycrocast, dafür ist keine Anwesenheit vor Ort notwendig.

Für Menschen mit Hörbehinderung wird eine Gebärdensprachdolmetschung bei der Eröffnungs- und Abschlussfeier, bei dem Special Olympics Festival und bei den beiden Sportarten Schwimmen und Leichtathletik angeboten. Bei der Eröffnungs- und Abschlussfeier wird es zusätzlich eine Schriftsolmetschung geben. Dies ist auch für Menschen mit Deutsch als Zweitsprache wichtig, die Übertragung erfolgt auf Deutsch und Englisch.

An den meisten Veranstaltungsorten wird es ein begrenztes Kontingent an barrierefreien Parkplätzen geben. Für weitere Infos muss sich bei Bedarf an visit@berlin2023.org gewendet werden.

Zudem wird es Sensorische Rucksäcke geben. Sie enthalten Ohrstöpsel, Sinnesspielzeug, Orientierungskarten und andere HIlfsmittel und können an den Infopunkten ausgeliehen werden. Sie können dabei helfen überwältigende Situationen in einer überfüllten und lauten Umgebung zu meistern. Zusätzlich gibt es aber auch Ruhe- und Gebetsräume, zum Entspannen, Meditieren oder Beten.

Jeder Veranstaltungsort verfügt zudem über gekennzeichnete Plätze für Rollstuhlfahrer:innen, die auf einer Karte des Veranstaltungsortes ersichtlich sind. Außerdem können Rollstühle am Info-Punkt ausgehliehen werden, bei einer Reservierung im Vorhinein. Zusätzliche Hilfsmittel wie Gehhilfen und Assistentiere sind in den verschiedenen Veranstaltungsorten ebenfalls zugelassen, wobei es für Tiere je nach Veranstaltung unterschiedliche Regelungen gibt.

Die SOWG 2023 sind außerdem Mitglied des Netzwerk Hidden Disability Sunflower. Die Blume steht für versteckte, nicht sichtbare Behinderungen. Mitarbeiter:innen und Freiwillige sind darauf vorbereitet, Träger:innen dieser Blume zu unterstützen.

Mehr zur Barrierefreiheit auf den Spielen findet ihr hier.

Unter dem Motto "Zusammen Unschlagbar" findet das größte inklusive Sportevent dieses Jahr zum ersten Mal in Deutschland statt und sollte auch dementsprechend Aufmerksamtkeit bekommen. Wir als FairWeg-Team werden dabei sein und vor Ort für euch berichten. Wir schauen uns nicht nur den Sport an, sondern auch wie Berlin es schafft ein Event in der Größenordnung möglichst barrierearm umzusetzen. Freut euch in den nächsten Tagen auf spannende Beiträge und verfolgt mit uns die Special Olympics World Games 2023!

"Let me win, but if i cannot win, let me be brave in the attempt."

(Der offizielle Eid der Special Olympics)

Tierpark, Mauer, Champions League – Berliner Host Towns zeigen Athlet*innen und Betreuer*innen der Special Olympics World Games 2023 ihre Stadt

Internationaler Besuch im Berliner Poststadion. Schon von weitem sind auf der Tribüne die grünen Trainingsanzüge der Mitglieder der Feldhockey-Auswahl Pakistans zu sehen. Sie essen gerade zu Mittag. „Berlin ist schön. Wir sind richtig gut aufgenommen worden“, erzählt Imdad Ali, einer von drei Trainern der Hockeymannschaft. Sieben Frauen und drei Männer gehören zum Team. Das sei Inklusion auf allen Ebenen, betont Ali. 

Gerade sind sie mit Berliner Sportler*innen zusammengetroffen. Auch die Spreewölfe, ein Berliner Inlineskaterhockeyverein, war mit dabei. „Sie waren jetzt nicht auf ihren Inlinern, sondern auf Sportschuhen, und haben Feldhockey angeboten. Das ist sehr gut angenommen worden“, erzählt Melita Ersek, Leiterin des Sportamts im Bezirk Mitte. Sie hat für Mitte das Host Town Programm entwickelt. „Seit Anfang Februar arbeiten wir daran. Wir haben überlegt, was bieten wir an Kultur, was bieten wir an Sport? Und da haben wir, gemeinsam mit den Sportvereinen und den vielen Kulturinstitutionen im Bezirk doch einiges anzubieten“, sagt Ersek stolz. 

Dienstag war Sporttag im Poststadion. „Mittwoch war Kulturtag mit Besuch im Futurium und einem Spaziergang an der Mauer mit fünf Guides. Wir haben schon gemerkt, dass sie ganz neugierig sind. Sie haben uns auch gefragt, warum man in Berlin denn gar nicht sehen kann, dass es mal Ost und West gab. Sie hatten das noch irgendwie vor Augen, dass da eine Mauer mitten in der Stadt stand. Und am Donnerstag besuchen wir gemeinsam die Inklusionsschule am Zille-Park. Sie können dort mit Schüler*innen sprechen und bekommen mit, wie es hier in Berlin an einer Schule mit Inklusion aussieht“, berichtet Ersek.

Am Dienstagabend stand dann noch ein Besuch aller in Berlin untergebrachten Delegationen gemeinsam mit den Verantwortlichen und vielen Volunteers im Berliner Tierpark an. Auch das Team aus der Ukraine war dabei. Die Delegation hatte eine sehr anstrengende Anreise hinter sich. „Das Team ist die ganze Strecke mit dem Bus gefahren. Die meisten kommen direkt aus der Ukraine“, erzählt Serhiy Komisarenko, Leiter der Delegation. Die Sportler*innen kommen nicht aus dem unmittelbaren Kriegsgebiet. „Die meisten, die dort wohnten, haben das Land längst verlassen“, erklärt Komisarenko, der als gelernter Mediziner zu Special Olympics stieß, der aber auch eine beachtliche politische Karriere als Stellvertretender Ministerpräsident sowie Botschafter der Ukraine in London in den 1990er Jahren hinter sich hat.

Der Krieg belaste Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen ganz besonders, betont er: „Es ist eine bizarre Situation, schon für Menschen mit einem starken Nervensystem. Einige sind natürlich sehr erregt, manche fühlen sich komplett verloren. Wir haben es aber geschafft, trotz des Krieges ein paar Wettkämpfe zu organisieren und die Athleten auf die Spiele hier gut vorzubereiten.“ Zur 35-köpfigen Delegation gehört auch die Turnerin Marianna Akhrarova. Sie hat schon an mehreren Weltspielen teilgenommen und aus internationalen Turnieren insgesamt zwölf Medaillen mit nach Hause gebracht, erzählt sie. Was sie in Berlin will? „Natürlich auch Medaillen holen“, sagt sie und strahlt. Dreimal in der Woche trainiert sie zu Hause, auch jetzt, während des Kriegs. 

Die Delegation Special Olympics Ukraine beim Empfang der Berliner Host Towns im Friedrichstadtpalast |Credit: Special Olympics World Games Berlin 2023 / Tilo Wiedensohler

Hier während der Weltspiele wird sie von Angestellten des Bezirksamts Treptow-Köpenick und zahlreichen Freiwilligen betreut. „Seit Anfang Januar bereiten wir uns darauf vor“, sagt Carolin Haschick, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Kay Kowarsch das Host Town Programm im Berliner Südosten stemmt. Sie haben unter anderem ein inklusives Sportfest organisiert. „Da gab es einen Parcours aus eher ungewöhnlichen Sportarten, wie zum Beispiel einen Federball mit einem Badmintonschläger in einen Basketballkorb befördern“, beschreibt Kowarsch die Szenerie. 

Das Sportfest war ein voller Erfolg. Kowarsch und Haschick planen, das als Auftakt für ein jährliches inklusives Sportfest oder überhaupt ein inklusives Fest zu nehmen. Und auch die Sportvereine, die sich beteiligt haben, wollen sich in der Zukunft stärker inklusiv betätigen. „Der Behindertensportverband macht das ja sowieso schon. Der PSV Olympia will das auf jeden Fall anbieten wollen. Und auch beim SV Ajax bin ich mir sicher, dass sie gut fanden, was wir heute gemacht haben“, sagt Haschick. Köpenicks prominentester Player im Sport ist auch mit von der Partie. „Am Donnerstag gibt es eine Stadiontour in der Alten Försterei. Union hat sofort zugesagt, sie freuen sich auf uns. Und wir können Champions League zeigen“, strahlt Haschick.

Die Begeisterung, die die Weltspiele seit dem Eintreffen der Delegationen auslösen, will der Berliner Senat selbstverständlich verstetigen. „Wir haben ein Nachhaltigkeitsprogramm aufgelegt, in dem wir 14 Projekte in Kultur, Bildung, Sport und anderen Bereichen unterstützen, nachhaltig Inklusion zu betreiben“, erklärt Katrin Koenen von der Senatssportverwaltung. Dazu gehört auch die Finanzierung eines Inklusionsmanagers beim Berliner Landessportbund. „Er bietet allen Vereinen Unterstützung bei der Ausbildung der Trainer*innen an. Das große Ziel ist, dass jeder Verein Berlins irgendwann einmal Inklusivangebote hat“, sagt Koenen. Vor allem aber möchte sie den Schwung der Weltspiele nutzen, dass „alle Berlinerinnen und Berliner mitbekommen, was Menschen mit Behinderung können, was sie leisten und wie wichtig das ist, sie überall zu inkludieren“.

Bei den Betreuer*innen der Host Town Teams muss Koenen gar nicht mehr werben. „Das Schönste sind doch diese leuchtenden Gesichter. Als die Gruppe aus Pakistan vom Flughafen zu uns kam, strahlten sie einfach. Sie haben sich auf uns gefreut, darauf, dass wir zu ihnen sagen: ‚Kommt zu uns, wir zeigen, was wir haben. Und lasst uns etwas gemeinsam miteinander machen“, sagt Melita Ersek vom Gastgeberbezirk Berlin-Mitte. Dieses Gefühl ist für sie sogar wichtiger und schöner als jeder selbst noch so attraktive einzelne Programmpunkt. Berlin ist auch mental bereit für die Weltspiele.

Titelbild: Die Delegation Special Olympics Pakistan mit Katrin Koenen (m.), Projektleiterin Special Olympics World Games Berlin 2023 beim Senat Berlin, beim Besuch des Berliner Tierparks. Credit: Special Olympics World Games Berlin 2023 / Juri Reetz

Text: Tom Mustroph

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