In unserer Themenwoche „Wo geht's hier weiter?“ wollen wir neue Ideen und Projekte vorstellen, die sich für ein inklusiveres und barriereärmeres Trier einsetzen. Heute wollen wir euch deshalb „TACHELES– das inklusive Medien-Team“ und ihre Arbeit für eine insgesamt inklusivere Medienlandschaft vorstellen.
TACHELES ist eine kleine Medienteam der Lebenshilfe Trier gefördert durch die Aktion Mensch in der Schönborn Straße, die gemeinsam Medieninhalte produzieren. In der Tacheles Redaktion ist Inklusion Alltag: Hier arbeiten insgesamt zehn Menschen mit und ohne kognitive Behinderung zusammen, um gemeinsam über Neues zu berichten. Die Themen erarbeitet die Redaktion gemeinsam in den (fast) wöchentlichen Redaktionssitzungen und es wird über alles Relevante berichtet, von Politik über Buntes und Kultur bis Soziales ist alles dabei.
Auch die Art und Weise ihrer Veröffentlichung wird inklusiv gemacht. Damit Tacheles für möglichst alle zugänglich ist, haben sie eine vielseitige Form der Veröffentlichung entwickelt: Beiträge werden auf schwerer und an allererste Stelle in leichter Sprache veröffentlicht und können auf der Homepage direkt vorgelesen werden. So werden all ihrer Beiträge für viel mehr Menschen zugänglich. Videos und Reels werden nebenbei auch für Instagram, Facebook und YouTube produziert. Beiträge können sich auch im Podcast angehört werden. Genau diese crossmediale Berichterstattung ermöglicht die Zugänglichkeit für ein möglichst breites Publikum.
Das TACHELES-Team setzt sich nicht nur in ihrer eigentlichen Redaktionsarbeit für die gelebte Inklusion ein, sondern zeigt mit seiner Berichterstattung, was in Trier möglich ist und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Immer wieder überprüfen sie verschiedenste Orte auf Barrierefreiheit: In ihrem Barrierecheck des Moselstadions Triers Ende 2021 konnte das TACHELES-Team einige Barrieren finden, wie die unbeweglichen Toiletten, zu hohe Tische an der Imbissbude oder nicht überdachte Rollstuhlplätze. Nach der Veröffentlichung ihres Berichtes reagierten die Bürgermeisterin Elvira Garbes und der Supporters Club Trier, die Fanszene der Eintracht Trier. Die Fanszene sammelte zahlreiche Spenden, um Barrieren im Moselstadion abzubauen. Dank der Spenden konnten neue Tische an den Essbuden angeschafft werden, damit jetzt alle ihr Essen und Getränke während des Spiels genießen können. Und auch die Stadt hat gehandelt und im Sommer 2022 für den Bau von vier neuen überdachten Rollstuhlplätzen gesorgt.
Und nicht nur das Stadion in Trier wurde auf Barrierefreiheit geprüft, auch in den Wahllokalen oder in den Bussen der SWT ist TACHELES regelmäßig unterwegs. Tacheles zeigt ganz praktisch, wo es für Trier hingehen kann und sollte. Auch Politik darf in der Berichterstattung nicht zu kurz kommen: So erklärt Tacheles gemeinsam mit einem Dozent der Universität Trier den Angriffskrieg auf die Ukraine oder macht aufmerksam auf den 05. Mai, dem Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.
Entstanden ist die Idee für Tacheles 2017 als zwei Redakteure gemeinsam über die Special Olympics berichtet haben. Die Special Olympics sind die olympischen Spiele für Menschen mit einer Mehrfachbehinderung und finden diesen Sommer in Berlin statt. Daraus entwickelt sich das Projekt, dass seit 2021 von der Aktion Mensch gefördert wird. Auch dieses Jahr wird TACHLESwieder über die Special Olympics berichten und vor Ort in Berlin sein und für spannende Berichte aus der Hauptstadt sorgen.
Das große Ziel von Tacheles ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Themen, das Leben und das Wirken von Menschen mit Behinderung und das ganz praktisch vor Ort. So setzt Tacheles sich für mehr gelebte Inklusion auch in der Medienlandschaft ein. TACHELES zeigt, was in Trier möglich ist und wir freuen uns deshalb umso mehr, TACHELES als unseren offiziellen Medienpartner für das FairWeg-Projekt mit dabei zu haben. Mehr zu Tacheles findet ihr auf ihrer Homepage.
Die närrische Zeit hat auch in unserem FairWeg-Büro Einzug gehalten. Kostümiert und bestens informiert sprechen unsere Redakteur:innen Lea, Svantje und Adrian nicht nur miteinander, sondern vor allem auch mit unserem Gast Julia (ihres Zeichens Rheinländerin und Büro-Jeck Nummer Eins) darüber, welches Potential Fasching in puncto Inklusion hat - und wie wir gemeinsam etwas gegen Sexismus, rassistische Traditionen und Diskriminierung im Allgemeinen tun können.
Hört gerne hier rein in die Auftakt-Folge für unsere neue FairWeg-Themenwoche. Unter dem Motto "Wo geht´s hier weiter?" hat das FairWeg-Team einige spannede Einblicke diese Woche vorbereitet.
Zu Beginn des neuen Jahres, wollen wir die Zeit nutzen, um auf eines unserer Highlights des vergangenen Jahres zurückzublicken: Am dritten Dezember durften wir den einzigen ersten Bundesligisten in Trier, die Doneck Dolphins, in ihrer Heimhalle, der Mäusheckerhalle, besuchen. Und hatten die Gelegenheit mehr zum Sport Rollstuhl-Basketball an sich und dem Team der Dolphins zu lernen, um im Anschluss beim Spiel gegen den BBC Münsterland mitzufiebern.
Bereits seit 1985 wird im Verein Rollstuhl-Basketball gespielt. Gegründet wurde der Verein durch Otmar Paßiwan, der bis heute noch der erste Vorsitzende des Vereins ist. Und keine zehn Jahre nach der Gründung gelang den Dolphins der Aufstieg in die erste Bundesliga, wo sie bis heute (bis auf eine kurze Pause in der zweiten Bundesliga von 2001 bis 2003) noch platziert sind. Dirk Paßiwan, Sohn des Mitgründers, ist Trainer und Spieler in der Mannschaft und zusätzlich noch Trainer der deutschen Nationalmannschaft der Frauen. Also bis heute ein erfolgreicher Verein hier bei uns in der Region.
Auch die Jugendarbeit kommt bei den Dolphins nicht zu kurz: Eine eigene Jugendmannschaft gibt es seit 1997, die bis heute trainiert. Und auch die Bildungsarbeit kommt nicht zu kurz: Spieler:innen fahren an Schulen, um dort mit Kindern gemeinsam Basketball zu spielen.
Dabei ist die Grundlage des Vereins die menschliche Nähe, die man spätestens beim Betreten der Halle spürt. Egal ob vor, während oder nach dem Spiel - hier helfen sich alle gegenseitig. Ob die ehrenamtlichen Eltern von Spieler:innen, die den Ticket- und Getränkeverkauf übernehmen oder die Spieler:innen, die sich gegenseitig beim Aufbau unterstützen.
Das Besondere am Rollstuhl-Basketball: Hier spielen alle miteinander auf dem Platz. Unabhängig von Gender oder Grad der Behinderung können alle, auch Menschen ohne eine körperliche Behinderung, miteinander spielen. Für einen Ausgleich zwischen den Teams sorgt dabei ein Punktesystem, wobei jeder:m Spieler:in je nach Grad der Behinderung Punkte zugeordnet werden. Menschen mit einem hohen Grad der Behinderung kriegen einen Punkt und mit einem niedrigen oder keiner Behinderung den Höchstpunktestand von 4,5. Insgesamt darf ein Team, dass aus fünf Spieler:innen besteht, nicht mehr als 14 Punkte haben.
Im Kader der Dolphins spielen insgesamt 13 Spieler:innen zusammen, wovon die Hälfte Vollzeit und die andere Hälfte nebenher arbeitet. Dabei ist der Trainingsplan für alle gleich, mit bis zu fünfmal die Woche Training plus Fitnessstudio. Das intensive Training zeigt sich auch im Spielerfolg der Dolphins: Auch wenn diese Saison immer noch besser laufen könnte, wurde der Beinahe-Abstieg der vorherigen Saison erfolgreich verhindert. Auch wenn die Dolphins das Spiel bei unserem Besuch gegen den BBC Münsterland leider mit 50 zu 62 verloren, gewannen sie doch im letzten Heimspiel des Jahres 2022 gegen die Hot Rolling Bears Essen und konnten so siegessicher in die Weihnachtspause gehen.
Wir im FairWeg-Team sind angefixt vom Rollstuhl-Basketball. Die eingeschweißte Fan-Gemeinde sorgt für eine aufgeladene Stimmung während der Spiele, während die Dolphins quasi über das Feld fliegen. Schon bereits die rasante Einfahrt der Spieler:innen und die Begrüßung des gegnerischen Teams sehen beeindruckend aus. Ab Anpfiff des Spiels erhöht sich die Geschwindigkeit und Spieler:innen sowie Ball rasen quasi nur so über das Feld. Dabei fliegt nicht nur der Ball über das Feld, sondern teilweise auch Spieler:innen bei besonders intensiven Spielzügen zu Boden. Genau dann merkt man aber die allgegenwärtige menschliche Nähe: Egal ob gegnerische Spieler:innen oder aus dem eigenen Team, es wird sich gegenseitig beim Aufstehen wieder geholfen. Denn Rollstuhl-Basketball ist „im Prinzip der inklusivste Sport, den es gibt!“ wie Miriam Maile sagt, die Medienzuständige des Vereins.
Und wer das nächste Spiel der Doneck Dolphins nicht verpassen will, kann entweder in die Halle zum nächsten Heimspiel am 14. Januar ab 18:00 Uhr gegen den RSV Lahn-Dill kommen oder sich den Livestream im OK54 ansehen. Wir als Team werden die Saison weiterverfolgen und auf die Siege der Dolphins hoffen, denn wir sind begeistert von diesem Sport und vor allem von den Dolphins. Nur durch das Aufbrechen der Verbesonderung, kann Rollstuhl-Basketball als das wahrgenommen werden, was es ist: eine Sportart. Und eine ziemliche erfolgreiche, denn schließlich gibt es nur einen Erstligisten in Trier und das sind die Doneck Dolphins.
Im Projekt Agenda-Kino zeigt die Lokale Agenda 21 Trier gemeinsam im Kooperation mit dem broadway filmtheater und der Heinrich-Böll-Stiftung RLP Filme, die über den eigenen Tellerrand hinnaus blicken und unter die Haut gehen. Im Projekt FairWeg dürfen wir diese Jahr den Auftaktfilm am 18. Januar zeigen: Die Dokumentation "Kinder der Utopie" von Hubertus Siegert gibt Einblicke in Inkusion in deutschen Schulen. Als Kooperationspartner konnten wir den Behindertenbeirat der Stadt Trier für das Nachgespräch gewinnen.
Der Film "Kinder der Utopie" zeigt das Wiedersehen von sechs jungen Erwachsenen, die gemeinsam in einer Inklussionsklasse während der Grundschulzeit waren. Sie besuchten die Fläming-Grundschule in Berlin, die zu der Zeit mit eine der ersten Inklusionsklassen hatte. Hier wurden Kinder mit und ohne Behinderung unterrichtet und das auch unabhängig vom Grad der Behinderung.
Bereits 2004 wurde die Klasse mit Kamera begleitet für den Film Klassenleben. Gemeinsam blicken sie in "Kinder der Utopie" zurück auf die gemeinsame Schulzeit und geben Einblicke in ihr heutiges Leben: Luca ist leidenschaftliche Hobbyfotografin und studiert Umweltwissenschaften; Marvin jobbt zu seinem Ärger in einer Behindertenwerkstatt; Dennis ist auf dem besten Weg, ein Star am Musical-Himmel zu werden; Johanna lernt mit Entschlossenheit Altenpflegerin; Christian befindet sich seit seinem schwulen Coming-Out in einer Selbstfindungsphase; Natalie will ihr Praktikum als Küchenhilfe in eine Festanstellung wandeln.
Der Film startet um 19.30 Uhr im broadway filmtheater. Nach der Filmvorführung steht der Behindertenbeirat und wir vom FairWeg-Team als Gesprächspartner:innen bereit. Tickets können hier bereits vorbestellt werden.
Uns ist es im FairWeg-Team ein besonderes Anliegen, mit Menschen über Behinderung und ihre Erfahrungen, Meinungen und Ideen zu sprechen - Menschen, die sich viel besser als wir damit auskennen, weil sie selbst in irgendeiner Form damit leben. Lucas Garthe von der Bundesjugend hat unserer Svantje deshalb Rede und Antwort gestanden. Entstanden ist ein lesens- und hörenswertes Interview!
Svantje: Vielen Dank, dass du das Interview mit uns machst. Magst du dich einmal kurz vorstellen?
Lucas: Hi, ich bin Lucas Garthe, ich bin 26 Jahre alt und wohne momentan in Heidelberg. Ich habe mein Studium jetzt abgeschlossen. Ich habe Sonderpädagogik studiert, mit den Fachrichtungen Hören und geistige Entwicklung und arbeite jetzt tatsächlich gerade in einem Vertretungsvertrag an einer Hörgeschädigten-Schule. Ich bin aber auch ehrenamtlich tätig in einem Verein für junge Menschen mit Hörbehinderung. Das ist die Bundesjugend. Und ich freue mich hier zu sein.
Svantje: Sehr cool. Genau zu dem Verband hätte ich auch meine erste Frage: Wofür setzt ihr euch ein? Was macht ihr? Und was ist dein Ehrenamt da?
Lucas: Es ist eine Art Selbsthilfeverband. Wir sind alle im Vorstand ehrenamtlich tätig und sind auch selbst hörgeschädigt oder interessieren uns dafür Menschen mit Hörbehinderung zu unterstützen. Wir setzen uns für die jüngere Generation ein. Unsere Definition von jung geht bis 35 Jahre, also doch noch etwas entspannter formuliert. Unsere wichtigsten Themen sind Aufklärung über das Thema Hörschädigung, Beratung bei Problemen rund um das Thema Hörschädigung, Empowerment und Identitätsarbeit. Dass Kinder mit Hörschädigung mit ihrer Behinderung besser zurechtkommen, sie akzeptieren und von der „Schwäche“ wegkommen und hin zu einer Stärke.
Svantje: Sehr schön. Zum Thema Empowerment: Was bringt ihr da bei? Wie läuft denn sowas ab?
Lucas: Also wir bieten verschiedene Workshops und Seminare an und unter anderem gibt es das Seminar Regelschülerseminar. Das heißt da gehen Schüler:innen hin, die selbst die einzigen mit einer Hörbehinderung sind an einer allgemeinen Schule, wo alle „normal“ hören. Und da laden wir auch immer Referierende ein, die selber eine Psychologie Ausbildung oder ein Psychologiestudium gemacht haben und sich einfach gut mit dem Thema auskennen. Da fördern wir auch den Austausch unter den Gleichgesinnten. Damit die Kids auch merken, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Hörbehinderung. Und dass es auch viele Vorteile gibt hörgeschädigt zu sein. Viele Kids berichten dann auch nach diesen Seminaren, dass sie sich total wohlfühlen und total empowert sind und viel besser in den Alltag starten können. Und ich bin da auch so einer von, der davon profitiert hat.
Svantje: Darf ich näher dazu nachfragen? Also warst du dann selber als Kind in solchen Workshops mit dabei?
Lucas: Ja genau, also ich hab auch 2010 das erste Mal Kontakt zu der Bundesjugend gehabt und hatte vorher noch nie so richtig Kontakt mit anderen Hörgeschädigten. Und mir ging es dann in der Schule auch teilweise nicht so gut, einfach mit meiner Behinderung umzugehen. Ich stand immer im Mittelpunkt, weil ich immer das Mikrofon dem Lehrer gegeben habe und ständig nachgefragt habe. Und dann war ich da bei diesem Seminar, wurde da so ein bisschen von meinen Eltern hin gezwungen. Aber das hat sich dann als voller Erfolg herausgestellt. Für mich persönlich. Ich habe da Freunde gefunden, die auch heute noch meine Freunde sind. Ich fühle mich mittlerweile einfach sehr empowert und mache meine Hörbehinderung zur Stärke.
Svantje: Es einfach sehr cool, was ihr da an Arbeit leistet und auch deine Geschichte dahinter. Wir haben ja jetzt schon einen Beitrag zur deutschen Gebärdensprache veröffentlicht und da würde mich interessieren, ob du die deutsche Gebärdensprache kannst?
Lucas: Ja genau, also ich habe die deutsche Gebärdensprache auch selber gelernt. Nicht von Geburt an, wie man vielleicht vermuten würde. Ich habs erst mit 14 Jahren tatsächlich gelernt. Das ist vielleicht so ein kleiner Aberglaube, dass jeder hörgeschädigte Mensch von Geburt an die Gebärdensprache lernt. Das stimmt so nicht. Meine Eltern sind hörend und können die Gebärdensprache nicht, deswegen habe ich es dann selber einfach privat für mich gelernt und mir mit Songs dann angeeignet.
Svantje: Mit Songs? Dann übersetzt oder wie?
Lucas: Genau, mit einem Kumpel zusammen. Wir interessieren uns beide für Musik und haben uns dann hingesetzt und gedacht, wir müssen doch auch Musik barrierefrei machen und haben dann einfach so kurzerhand Lieder in Gebärdensprache verfasst und das dann auch in Musikvideos festgehalten.
Svantje: Das ist ja richtig cool. Bei den Recherchen bin ich auf den ESC in Gebärdensprache gestoßen und fand das schon richtig cool. Das es sowas wie den Eurovision Song Contest jetzt auch auf Gebärdensprache gibt, oder dass es jetzt auch auf Konzerten Gebärdendolmetschung gibt.
Lucas: Ja das ist auf jeden Fall echt cool!
Svantje: Warst du schon einmal auf einem Konzert mit Gebärdendolmetschung?
Lucas: Ich war schon auf Konzerten. Aber vor allem auf Konzerten mit deutschen Interpreten, die auch auf Deutsch singen, einfach weil ich da auch den Text besser verstehe, bei Englisch wird’s dann bei mir tatsächlich ein bisschen schwierig. Tatsächlich habe ich aber noch nie ein Konzert mit Verdolmetschung gesehen. Das noch nie.
Svantje: Da ist schade. Aber vielleicht wird das ja jetzt langsam präsenter.
Lucas: Ich hoffe doch.
Svantje: Zur Präsenz von deutscher Gebärdensprache. Wir haben herausgefunden, dass das ungefähr 200 000 Menschen sind, die das in Deutschland sprechen. Das wurde jetzt glaube ich mehr, wenn ich das jetzt richtig recherchiert habe. Was meinst du wie durchsetzungsfähig das im Alltag ist, dass das verbreiteter wird. Beispielsweise als Schulfach?
Lucas: Es wird auf jeden Fall schwierig sein, sowas durchzusetzen. Aber es gibt auf jeden Fall schon erste Erfolge. Zum Beispiel hat die Kulturministerkonferenz letztes Jahr erst, eine Empfehlung herausgegeben, dass man deutsche Gebärdensprache als Wahlpflichtfach einführen kann, in den allgemeinen Schulen. Das ist schonmal ein sehr großer Gewinn und darauf aufbauend, kann man jetzt an jeder Schule deutsche Gebärdensprache als Unterrichtsfach einführen. Schwierig wird’s dann natürlich bei der Frage: Wie besetzt man diese Posten? Wie können wir das unterrichten, wenn es nicht so viele Menschen gibt, die die deutsche Gebärdensprache selbst beherrschen. Das ist eine schöne Idee und es ist auch schön, dass das an manchen Stellen auch umgesetzt wird, aber es dauert noch ein bisschen würde ich sagen.
Svantje: Okay, aber wenn das jetzt noch dauert, worauf kann man denn achten wenn man mit jemandem mit einer Hörbeeinträchtigung im Alltag redet?
Lucas: Eigentlich sollte man sich so normal verhalten wie es geht, also nicht groß ein Thema draus machen. Was ich da schon öfter erlebt habe, dass Leute dann zu mir gekommen sind und gefragt haben: Was hast du da in den Ohren? Sind das Hörgeräte? Und dann total verzerrt gesagt haben: Versteht du mich? Und das sind so Sachen, die kann man sich eigentlich sparen. Mittlerweile ist die Hörtechnik so gut, dass man eigentlich auch ziemlich gut hören kann. Gehörlose dagegen, die nicht versorgt sind, da gibt es die allgemeine Regel entweder ins Sichtfeld zu gehen und dann versuchen zu kommunizieren durch Tippen auf dem Handy oder auf einen Zettel schreiben, wenn man die Gebärdensprache nicht beherrscht. Oder eben antippen statt ins Sichtfeld, falls es gerade nicht anders geht. Aber nur auf die Schultern, nirgendwo sonst. Und dann sollte eigentlich alles gut klappen.
Svantje: Okay dann vielen Dank dir. Das wars dann auch schon mit unseren Fragen!
Sprache ist für uns allgegenwärtig und wahrscheinlich verbinden die meisten damit intuitiv die akustisch gesprochene Sprache. Aber dass Sprache so viel mehr als laut ist, wollen wir euch heute mit einem kleinen Infobeitrag zu Gebärdensprachen zeigen. Denn Sprache muss nicht akustisch sein.
Vorab eine kurze Begriffserklärung, denn Sprache ist nicht gleich Sprache: Unter Lautsprache wird die akustisch gesprochene und unter Gebärdensprache visuell-motorisch gesprochene Sprache verstanden. Beides sind Überbegriffe, worunter die verschiedensten Sprachen fallen. Es gibt also nicht die eine Gebärdensprache.
Gebärdensprache ist keine Zeichensprache: Gebärdensprache sind visuelle Sprachen, die mit Handzeichen, Mimik, Mund und dem Oberkörper gesprochen werden. Für das Gebärden wird immer die dominante Hand der Sprecher*in genutzt, d.h. bei Rechtshändern die rechte und bei Linkshändern die linke Hand.
Und was passiert bei Wörtern für die es noch keine Gebärde gibt? Dann kommt das Fingeralphabet in den Einsatz. So können Wörter, wie zum Beispiel Namen, buchstabiert werden. Da das aber länger dauert, wird meist schnell eine Gebärde gefunden. Zum Beispiel bei Namen: Es werden Namensgebärden gegeben, die quasi wie eine Art Spitzname funktionieren.
In Deutschland wird vor allem die Deutsche Gebärdensprache gesprochen, die seit 2002 mit Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetztes als eigenständige, vollwertige Sprache gilt. Vorher gab es trotz erbittertem Einsatz keine national anerkannte Gebärdensprache und Gebärdensprachen wurden lange unterdrückt und zum Beispiel an Schulen verboten.
Die Gebärdensprache hat ein eigenes Vokabular und Grammatik, die sich natürlich im Sprachgebrauch entwickelt haben. Und dabei haben sich auch Dialekte und regionale Unterschiede entwickelt. In Bayern wird also nicht nur eine andere Lautsprache gesprochen, sondern auch andere Gebärden genutzt als hier bei uns in Trier. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es mehrere Gebärdensprachen, dazu zählen die Deutsche Gebärdensprache, die Österreichische Gebärdensprache und die Deutschschweizerische Gebärdensprache. Zusätzlich kommen noch die regionalen Dialekte hinzu. Also eine ziemlich vielseitige Sprache, die allein in Deutschland von über 200.000 Menschen gesprochen wird.
Und das zeigt: die Deutsche Gebärdensprache ist keinesfalls international verständlich. Weltweit gibt es über 200 verschiedene Gebärdensprachen. Allein in den 27 Ländern der Europäischen Union gibt es 31 nationale Gebärdensprachen. Dabei gibt es auch Ähnlichkeiten zwischen den Gebärdensprachen, wie es auch bei Lautsprache der Fall ist. Die fallen aber anders aus als bei den Lautsprachen: Zum Beispiel ähnelt die amerikanische mehr der französischen, als der britischen Gebärdensprache. Das liegt daran, dass ein französischer Gehörlosenlehrer die Sprache mit nach Amerika brachte.
Mittlerweile hat sich das International Sign entwickelt, also eine internationale Gebärdensprache. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus unterschiedlichen Gebärdensprachen, die abhängig von der Sprecher:in ist. Es gibt zum Beispiel ein eurozentrisches International Sign, dass sich aus den Gebärdensprachen der europäischen Länder zusammensetzt.
Mit Gebärdensprache lässt sich wirklich alles ausdrücken, denn auch wie bei der Lautsprache hat sich bei Gebärdensprachen eine ganze Kultur mitentwickelt. Von Poesie, Theater, Comedy oder auch Fachtagungen, alles ist auf Gebärdensprachen möglich. Sogar auf Musikkonzerten gibt es mittlerweile Dolmetschende, die die Musik übersetzen. Zum Beispiel wird der Eurovision Song Contest auf Deutscher Gebärdensprache ausgestrahlt, das könnt ihr euch hier anschauen.
Also sind Gebärdensprachen unfassbar vielseitige Sprachen, mit denen wirklich alles ausgedrückt werden kann. Ihr wollt noch mehr zu Sprache und Barrieren wissen? Dann schaut doch mal in die weiteren Beiträge unserer Themenwoche.