Nachhaltigkeit aus einer anderen Perspektive

von Anna
21. Januar 2021

Zum Einstieg ein Rätsel 

Ein Mann bringt seinen Sohn zu einem Fußballspiel und fährt danach auf Geschäftsreise nach China. Dem Sohn widerfährt jedoch während des Spiels ein schlimmer Unfall. Im Krankenhaus angekommen muss er schließlich operiert werden. Der Chefarzt betritt daraufhin den Operationssaal, sieht den Sohn und sagt: „Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn.“  Nun die Frage: Wie kann der Vater beim Sohn sein, wenn dieser auf Geschäftsreise in China ist? 

Möglicherweise kennst du die Antwort oder bist dir deiner Lösung sicher. Lass uns, bevor wir zur Auflösung kommen, nochmal ein paar Schritte zurückgehen. Wer weiß, vielleicht ist die Lösung letztlich eine ganz andere als du gegenwärtig vermutest. 

Was Frames und Gärtner:innen gemeinsam haben 

Elisabeth Wehling, eine bekannte Linguistin, beschreibt in ihrem Buch Politisches Framing die Bedeutung und Auswirkungen von Frames. Zusammengefasst bedeutet Framing, dass verschiedene Formulierungen mit einer Botschaft – bei gleichem Inhalt – unterschiedlich bei dem:r Empfänger:in ankommen und dessen:deren Verhalten beeinflussen. 

Verdeutlichen wir das anhand eines Beispiels. Der Begriff Gärtner umfasst in der deutschen Sprache sowohl Männer als auch Frauen. Dennoch handelt es sich hierbei um keinen geschlechtsneutralen Begriff (das Mitglied gilt z.B. als geschlechtsneutraler Begriff). So besteht die Möglichkeit von Gärtner und Gärtnerin zu sprechen. In diesem Kontext bezieht sich der Gärtner auf einen Mann, wohingegen die Gärtnerin sich auf eine Frau bezieht. Spricht man in einem anderen Kontext somit von dem Gärtner verbindet man diesen automatisch mit einem Mann, obwohl sich der Begriff auch auf eine Frau beziehen kann. In unserem Gehirn werden somit gewisse Frames aktiviert. Das führt dazu, dass wir unbewusst Frauen ausschließen, obwohl sie ebenfalls gemeint sind. Spricht man statt Gärtner von Gärtnerin, hat diese Aussage den gleichen Inhalt wie zuvor, kommt jedoch bei den Empfänger:innen anders an. Sprache beeinflusst somit unser Handeln und Denken. Vielleicht hilft dir die Bedeutung von Frames dabei das Rätsel zu lösen. 

Wie wir das Problem mit dem generischen Maskulinum lösen

Die Lösung des Rätsels liegt nah und fern zugleich. Bei dem Chefarzt handelt es sich um die Mutter des Kindes. Kamst du direkt auf die Lösung? Das Rätsel unterstreicht die Annahme, dass die Verwendung des generischen Maskulinums (meint die männliche Form eines Begriffs; z.B. der Arzt) unsere Wahrnehmung beeinflusst und somit unbewusst Frauen ausschließt. Die Verwendung dessen ist somit nicht so unproblematisch wie sie zunächst zu sein scheint. Lass uns noch einen Schritt weitergehen. 

Menschen, welche sich weder einem weiblichen noch einem männlichen Geschlecht zuordnen, werden weder vom generischen Maskulinum umfasst, noch integriert, wenn man z.B. von Arbeiter und Arbeiterinnen spricht. 

Deswegen verweist dieser Beitrag zusätzlich auf Möglichkeiten, die dabei helfen können alle Menschen gleichermaßen in die deutsche Sprache mit einzubeziehen. So sind z.B. geschlechtsneutrale Formulierungen (anstatt Lehrer Lehrkräfte) ideal. Wenn dies im jeweiligen Kontext nicht möglich ist, gibt es auch Strategien, welche alle Geschlechter umfassen. So z.B. der Gender:Doppelpunkt (Bürger:innen). Diese Art des genderns kann auch problemlos von Screenreadern für sehbeeinträchtigte Menschen gelesen werden. Somit werden auf diese Weise weitere Menschen integriert. Hier findest du unter anderem hilfreiche Tipps und Anleitungen, wie du elegant alle Menschen sprachlich berücksichtigen kannst. 

Neben der angesprochen sprachlichen Integration aller Geschlechter lässt sich zusätzlich darauf verweisen, dass die Verwendung der leichten Sprache ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist. So hilft z.B. das Netzwerk Leichte Sprache bei der Umsetzung von Treffen und Tagungen in leichter Sprache. Auf diese Weise findet eine zusätzliche Integration statt.

Vorurteile & stereotypisierende Darstellungen prägen unseren Alltag 

Darüberhinaus wird unser Leben oftmals von Werbungen, Filmen oder Serien begleitet. Doch was sehen wir da? Vorurteile sowie stereotypisierende Darstellungen tragen – bewusst oder unbewusst – dazu bei, bestehende Ungleichheiten zu erhalten. Dabei ist es für die Zuschauer:innen oft nicht einfach sexistische oder rassistische Darstellungen zu erkennen. Das liegt daran, dass die Diskriminierung oft unterschwellig geschieht (auch Alltagsrassismus genannt). Die Kampagne „Pink Stinks“ hilft z.B., zu erkennen, ob eine Werbung sexistisch ist oder nicht. Darüberhinaus erklärt Amnesty International, welche Begriffe oft (teils auch unbewusst) zur Diskriminierung von Personengruppen benutzt werden und vermieden werden sollten. Auf diese Weise kann geholfen werden Alltagsrassismus sowie sexistische Darstellungen zu erkennen und zu verhindern. 

Sprache und Darstellungen beeinflussen unsere Wahrnehmung

Gleichberechtigung und Integration fangen somit – neben gleichen Berufschancen oder dem allgemeinen Wahlrecht – auch in der Sprache und der Darstellung von Personen an. Stehen wir bei der Festhaltung an Gewohnheiten also der Chance einer allumfassenden Gleichberechtigung und Integration im Weg? Definitiv! 

Dennoch geht es nicht darum, von heute auf morgen alles perfekt zu machen. Dieser Beitrag soll dich lediglich darauf aufmerksam machen, was Nachhaltigkeit auch meinen kann, wo Diskriminierung bereits beginnt und was wir dagegen unternehmen können. Und wer weiß, vielleicht regt dich dieser Beitrag dazu an, das eine oder andere zu versuchen oder umzusetzen. Denn wie sagt man so schön, auch mit kleinen Schritten gelangt man ans Ziel. 


Wenn dein Interesse zu diesem Themenbereich geweckt ist, klicke gerne Hier, um auf unser Leitfadenkapitel: Inklusion und Diversity zu nachhaltigem Veranstalten zu gelangen und nähere Informationen zu erhalten. 

Nachhaltig fairanstalten in Trier und Region.
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